Zur Abberufung des Vorstandes wegen Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung

Kommt es in der Aktiengesellschaft zu Meinungsverschiedenheiten, kann die Situation manchmal derart eskalieren, dass Aufsichtsrat und/oder Aktionäre den Vorstand abberufen wollen. Allerdings wird der Vorstand für eine feste Zeit bestellt. Ein Widerruf der Bestellung ist nach Maßgabe des § 84 Abs. 3 AktG aber nur möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Macht sich das Vorstandsmitglied nicht einer groben Pflichtverletzung schuldig oder kommt es zum – eher seltenen – Fall der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, bleibt als Grund für eine Abberufung nur der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung. Auf der Grundlage eines solchen Beschlusses, hat dann der Aufsichtsrat die Möglichkeit, die Bestellung des betreffenden Vorstandsmitgliedes zu widerrufen.

Ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung darf jedoch nicht aus unsachlich Gründen oder willkürlich erfolgt sein. Mit den Anforderungen an den Beschluss der Hauptversammlung hat sich der BGH zuletzt in einem Urteil vom 15. November 2017 befasst und darin einige Punkte klargestellt.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte die Hauptversammlung dem Vorstand in einer außerordentlichen Hauptversammlung das Vertrauen entzogen, ohne dies zu begründen, nachdem es zuvor zu Unstimmigkeiten bei der Bewerbung um ein Projekt gekommen war. Der Aufsichtsrat beschloss daraufhin, die Bestellung des Vorstandes zu widerrufen und seinen Anstellungsvertrag zu kündigen. Das dem Vorstand angelastete Fehlverhalten konnte im weiteren Verlauf nicht festgestellt werden.

Die gegen die Abberufung und die Beendigung des Anstellungsvertrages gerichtete Feststellungsklage des Vorstands hatte in den Instanzgerichten zunächst Erfolg. Grundsätzlich obliegt zwar dem betroffenen Vorstandsmitglied die volle Darlegungs- und Beweislast dafür , nachzuweisen, dass der Vertrauensentzung durch Hauptversammlung ohne sachlichen Grund erfolgt ist. Das Oberlandesgericht begründete seine Entscheidung jedoch damit, dass wenn der Vertrauensentzug ohne Begündung erfolge, die Annahme unsachlicher Gründe im Sinne von Wilkür naheliege. Dann obliege es der Aktiengesellschaft den Vertrauensentzug plausibel zu machen. Dem ist der BGH jedoch entgegengetreten.

Nach der Auffassung des BGH reicht der Vertrauensentzug nur dann für die Abberufung nicht aus, wenn er aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist. Der Umstand, dass kein sachlicher Grund für den Vertrauensentzug festgestellt werden kann, reicht gerade nicht, um die Ausnahme eines offenbar unsachlichen Grundes anzunehmen. Dass der von der Hauptversammlung bei dem Vertrauensentzug angenommene Grund nicht beweisbar ist, besagt außerdem noch nicht, dass er nicht vorliegt.  Mit der Gesetzesformulierung, dass der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht offenbar unsachlich sein darf, stellt das Gesetz klar, dass nicht der nur möglicherweise oder erst nach längerer Prüfung als unsachlich erscheinende Vertrauensentzug, sondern nur der Vertrauensentzug, dessen Unsachlichkeit auf der Hand liegt, als wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung ausscheidet.

Wenn die Hauptversammlung der Auffassung ist, ein Vorstandsmitglied sei wegen bestimmter Vorgänge nicht mehr tragbar, lässt sich dem darauf beruhenden Vertrauensentzug auch dann nicht die Bedeutung eines wichtigen Grundes gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 3. Alternative AktG absprechen, wenn dem Vorstandsmitglied subjektiv kein Vorwurf zu machen war oder es sogar objektiv im Recht gewesen sein sollte. Der Aufsichtsrat hat jedoch im Rahmen seiner Beschlussfassung zu prüfen, ob der Entzug des Vertrauens durch die Hauptversammlung aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt ist. Übt der Aufsichtsrat den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht aus, liegt ein Mangel in der Beschlussfassung vor, der zur  Nichtigkeit des gefassten Beschlusses führt.


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