Gefahr auch bei Lieferung gegen Vorkasse

Befindet sich ein Kunde in Zahlungsschwierigkeiten, gehen Lieferanten sinnvollerweise regelmäßig dazu über, Waren nur noch gegen Vorkasse zu liefern. Aber auch wenn der Kunde die Ware vor Lieferung bezahlt, sind damit noch nicht alle Gefahren beseitigt. Bei einer Insolvenz des Kunden kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen (also auch Zahlungen) des Schuldners, die der Schuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, gemäß § 133 InsO, noch für mehrere Jahre rückwirkend anfechten, wenn der andere Teil den Vorsatz kannte. Die Gefahr für den Vertragspartner erhöht sich insbesondere dadurch, dass eine Kenntnis vom Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung vermutet wird, wenn der Vertragspartner wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit drohte und die Zahlung die Gläubiger benachteiligt.

Das Risiko, dass der Insolvenzverwalter die Bezahlung für bereits erbrachte Leistungen zurückfordert, wird auch anhand eines Urteils des Bundesgerichtshofs vom 04. Mai 2017 deutlich. In dem Verfahren hatte das Gericht über die Klage eines Insolvenzverwalters auf die Rückzahlung von Beträgen zu entscheiden, die der Schuldner gegen Vorkasse für Getränkelieferungen gezahlt hatte. Nach der Rückgabe mehrerer Lastschriften hatte der Lieferant eines Getränkehandels nur noch gegen Vorkasse geliefert.

Nach den Ausführungen des BGH handelt ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dabei indiziert die Kenntnis des Vertragspartners von drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit regelmäßig dessen Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung. Weiß der Vertragspartner nämlich von der drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist und deshalb damit zu rechnen war, dass auch andere Gläubiger existieren. Dann weiß der Anfechtungsgegner regelmäßig auch, dass Leistungen aus dem Vermögen des Schuldners an ihn die Möglichkeiten der Befriedigung anderer Gläubiger vereiteln oder zumindest erschweren oder verzögern.

Einen Rückforderungsanspruch des Insolvenzverwalters hat der BGH im vorliegenden Fall nur deshalb verneint, weil es davon ausgegangen ist, dass durch die Lieferung eine für die Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt ist, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt. In dem Fall eines sogenannten  bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausches hält es der BGH für erforderlich, dass der Vertragspartner Kenntnis davon hat, dass der Betrieb des Schuldners fortgesetzt unrentabel arbeitet und dadurch weitere Verluste erwirtschaftet werden.

Die Gefahr einer Rückforderung bereits geleisteter Zahlungen durch den Insolvenzverwalter, hat sich dabei auch durch die Reform der Insolvenzanfechtung im April diesen Jahres nur teilweise verringert.

Zum einen gelten die Regelungen erst für nach dem 05. April 2017 eröffnete Insolvenzverfahren. Zum anderen besteht die Anfechtungsmöglichkeit grundsätzlich fort. Für die Anfechtung von Deckungshandlungen, also der Bezahlung von erbrachten Lieferungen und Leistungen, reduziert sich jedoch der Anfechtungszeitraum von zehn auf vier Jahre. Außerdem wird für den Fall, dass der Gläubiger dem Schuldner Zahlungserleichterungen gewährt hat, vermutet, dass er eine etwaige Zahlungsunfähigkeit nicht kannte. Der Insolvenzverwalter muss in diesem Fall jetzt das Gegenteil beweisen.


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